Ein wichtiges Thema beim Shift/HR Recruiting FORUM am 18.04. ist natürlich die Diskussion rund um die Veränderungen und Impulse der neuen KI-Technologien für den Recruiting-Bereich. Alle Welt spricht auch 2024 über sie und verspricht sich vor allem durch sie immense Optimierungspotenziale.
Letztlich gilt es aber, die Möglichkeiten der KI-Technologien jenseits der Prozessautomatisierung zu betrachten und zu diskutieren. Als Vorbereitung für unsere Veranstaltung am 18.04. wollen wir mit diesem Beitrag versuchen, das Thema zu strukturieren und verschiedene Diskussionspunkte zu den Anwendungspotentialen wie auch den Grenzen zu geben.
KI ist nicht gleich KI - Die Unterschiede von generativer & analytischer KI
Den Start in unseren Beitrag machen wir mit einer kurzen Unterscheidung: KI ist nicht gleich KI. "Es gibt nicht die eine KI, die allwissend ist." - antwortet KI-Expertin Prof Katharina Zweig in einem spannenden Interview.
Im Kern der Diskussion steht an dieser Stelle die Unterscheidung zwischen generativer und analytischer KI – zwei Facetten der Technologie, die unterschiedliche, aber komplementäre Möglichkeiten bieten. Während die analytische KI dabei hilft, komplexe Datenmengen zu verstehen und daraus Schlüsse zu ziehen, ermöglicht die generative KI die massenhafte Erstellung neuer Inhalte, die auf spezifische Kontexte und Bedürfnisse zugeschnitten sind.
Analytische KI im Recruiting
Analytische KI, oft als Herzstück der datengesteuerten Entscheidungsfindung angesehen, nutzt maschinelles Lernen und komplexe Algorithmen, um große Datenmengen („Big Data“) zu analysieren, Muster zu erkennen und Vorhersagen zu treffen.
Im Recruiting ermöglicht damit die analytische KI beispielsweise Einblicke in Bewerberdaten, Markttrends und die Effektivität von Recruiting-Kanälen.
- Datengetriebene Entscheidungsfindung: Durch das Verarbeiten von historischen Daten und Echtzeit-Informationen kann analytische KI präzise Einsichten liefern, die HR-Entscheidungsträger dabei unterstützen, fundierte Strategien zu entwickeln.
- Bewerberanalyse: Analytische KI kann für die Auswertung von strukturierten Bewerberinformationen genutzt werden und dabei das Risiko menschlicher Voreingenommenheit reduzieren – wenngleich natürlich die definierten Regeln und Algorithmen, nach denen die KI agiert, selbst einen Bias aufweisen können.
- Markt- und Trendanalyse: Diese Technologie ermöglicht es, dynamische Marktbedingungen zu überwachen, Veränderungen im Arbeitsmarkt-Wettbewerb, der Bedürfniswelt der Kandidaten und Candidate Journeys zu erkennen und Anpassungen in den Recruiting-Strategien vorzunehmen.
Generative KI im Recruiting
Generative KI nutzt statistische Modelle, um Ähnlichkeiten in Inhalten zu erkennen und Inhalte entlang von Befehlen („Prompts“) zur Anwendung der Modelle zu erstellen. Im Kontext des Recruitings können damit maßgeschneiderte Texte wie Stellenanzeigen oder Kommunikationsmaterialien generiert und auf die spezifischen Bedürfnisse von Bewerbern und Unternehmen zugeschnitten werden.
- Erstellung von Stellenanzeigen: Generative KI kann einzigartige und ansprechende Stellenanzeigen erstellen, die auf die Unternehmensmarke und die Zielgruppe abgestimmt sind.
- Personalisierte Kandidatenkommunikation: Sie ermöglicht es, individuell zugeschnittene Kommunikationsstrategien zu entwickeln, welche die Interaktion mit Bewerbern verbessern und das Engagement erhöhen.
- Dynamische Inhaltsentwicklung: Von der Erstellung personalisierter E-Mails bis hin zur Generierung von Interviewfragen – generative KI bietet eine Bandbreite an Anwendungsmöglichkeiten, um den Recruiting-Prozess zu personalisieren und zu optimieren.
Synergie im Einsatz
Die Kombination von analytischer und generativer KI ist dann das „Zauberding“, von dem alle Trendanalysten schwärmen. Während analytische KI tiefe Einblicke und datengestützte Entscheidungen ermöglicht, kann generative KI diese Informationen nutzen, um personalisierte und effektive Recruiting-Strategien zu entwickeln und letztlich die Kommunikationsprozesse zu automatisieren.
Die Integration beider KI-Formen ermöglicht es Recruitern, nicht nur effizienter zu arbeiten, sondern das Thema „Kandidaten-Gewinnung“ intelligent neu anzugehen, um sowohl effizienter als auch erlebnisorientierter zu werden.
Anwendungsfelder für KI in der Kandidaten-Gewinnung und im Recruiting
Die Nutzung von KI im Kandidaten-Gewinnungs- und Recruiting-Prozess kann somit als disruptiver Moment angesehen werden, der es HR ermöglicht, sowohl effizienter als auch kandidatenorientierter im großen Stile zu werden.
Im Folgenden beleuchten wir die Einsatzmöglichkeiten der analytischen und generativen KI in einem einfachen dreistufigen Kandidaten-Gewinnungs- und Auswahlprozesses:
Kandidaten-Aufmerksamkeit gewinnen und Bewerbungen erhalten
Im ersten Schritt geht es vor allem um die kommunikativen Aktivitäten im Bereich des Arbeitgeber-Marketings, des Employer Brandings und der konkreten Kandidatengewinnung. Aber auch um die planerischen Analysetätigkeiten.
Sowohl die analytische als auch die generative KI bietet hier verschiedene alte und neue Anwendungsfelder:
- Automatisierung und Optimierung von Stellenanzeigen: Mit Hilfe der analytischen KI lassen sich im großen Stile Markttrends und Jobdaten auswerten, um Empfehlungen zur Optimierung von Stellenanzeigen zu geben. Datenanalysten-ExpertInnen wie Dr. Annina Hering (Indeed) haben hierzu auch in der Vergangenheit schon viele spannende Insights über Zusammenhänge zwischen bestimmten Kandidatengruppen und ihren Erwartungen hinsichtlich der Ansprache und Kommunikation gewinnen können. Diese datengetriebenen Einsichten tragen dazu bei, die Sichtbarkeit und Attraktivität der Anzeigen zu erhöhen.
- Zielgruppenspezifische Inhalte & spannendere Kommunikation: Generative KI kann verwendet werden, um mehr Kandidatenorientierung und Varianz in das Arbeitgeber-Marketing zu bringen. Sei es mit umfangreicherem Storytelling, interessanteren Anzeigen oder zielgruppenspezifischeren Stellenanzeigen. Der Content-Erstellungsprozess hat eine intelligente Unterstützung bekommen, die es gilt, für eine bessere Kandidatenansprache einzusetzen, um die Wahrscheinlichkeit für die Aufmerksamkeitsgewinnung spannender Kandidaten zu erhöhen.
- Vorausschauende Bedarfsanalyse: KI-Systeme prognostizieren zukünftige Personalbedarfe, indem sie Unternehmensdaten und Markttrends analysieren und abgleichen, was strategische Planungen im Recruiting erleichtert und ein vorausschauendes Handeln z.B. beim Aufbau von Talent-Pools oder anderen Aktivitäten ermöglicht.
Kandidaten-Bewerbungen bewerten und selektieren
Wenn der Job im ersten Schritt mit KI erfolgreicher gemacht wurde, dann gilt die neue Vielfalt der Bewerbungseingänge zu verarbeiten. Auch setzen zahlreiche alte und neue Ansätze an, um den Bewertungs- und Auswahlprozess der Kandidaten nicht nur effizienter, sondern auch kandidatenorientierter zu machen.
- Intelligentes Screening von Lebensläufen: Nach wie vor gilt die Reaktionsgeschwindigkeit im Bewerbungsverfahren als das Erfolgskriterium für die Kandidatengewinnung – aber auch als klarer Wertschätzungsfaktor gegenüber den Kandidaten. KI-Systeme können eine große Anzahl von Lebensläufen in kürzester Zeit scannen und bewerten, um die geeigneten Kandidaten herauszufiltern, basierend auf vordefinierten Kriterien. Hier gilt es, auch wieder auf die Selektionsverzerrungen solcher Ansätze zu achten. (Siehe auch Herausforderungen)
- Kompetenzbasierte Bewertung & Eignungsdiagnostik: Die Analyse von Kompetenzen und die Bestimmung von Eignungen von Kandidaten für bestimmte Rollen ist ein weiteres Themenfeld, wo bereits in der Vergangenheit analytische KI neue Ansätze bot und auch zu objektiveren und fundierteren Entscheidungen führen konnte. In der Koppelung mit Generativer KI bieten sich nun neue interaktive Möglichkeiten, die das Thema auf eine massenhafte personalisierte Ebene heben können. Gleichsam steht das Bedenken im Raum, dass Bewerber die KI-Systeme auch zu ihrem Vorteil ausnutzen können oder dass es zum Model Collapse aufgrund von Zirkelschlüssen in den Daten kommt - wie Joachim Diercks hier schreibt.
- Matching-Algorithmen: Insbesondere die Stellenbörsen versprechen mit der generativen KI neue Ansätze beim Abgleich von Kandidaten und Stellenprofilen. Die generative KI bietet die Möglichkeit, eine Vielzahl von Anforderungen der Jobbeschreibungen abzugleichen und eine effiziente Passgenauigkeit zu gewährleisten.
Kandidaten-Kommunikation unterstützen
Als dritten Prozessbereich betrachten wir noch die gesamte „Drum-Herum-Kommunikation“ im Recruiting-Prozess. Mit der Unterstützung von KI gilt es hier, eine effektivere Kommunikation mit den Kandidaten zu realisieren, die ein positiveres Bewerbererlebnis und den Aufbau einer starken Arbeitgebermarke unterstützt:
- Personalisierte Kommunikation: Generative KI kann dabei helfen, personalisierte Kommunikationsstrategien für Kandidaten zu entwickeln, was die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass sich diese engagieren und positiv auf das Recruiting reagieren.
- Automatisierte Follow-up-Nachrichten: KI-gesteuerte Systeme können den Kommunikationsfluss mit Bewerbern aufrechterhalten, indem sie automatisierte, aber personalisierte Follow-up-Nachrichten senden.
- Engagement-Tracking: Analytische KI unterstützt das Tracking der Interaktionen und des Engagements der Bewerber, um die Effektivität der Kommunikationsstrategien zu bewerten und anzupassen.
Insgesamt zeigt die kleine Auswahl der Anwendungsfelder, dass der Einsatz von KI-Technologien zahlreiche Potentiale bietet, um sowohl effizienter als auch kandidatenorientierter zu werden.
Wichtig dabei ist, dass hierbei immer die Symbiose – sowohl der Zielsetzungen (Effizienz / qualitative Optimierung) als auch der Technologen (analytische & generative KI) – verstanden und betrachtet werden. Denn dann bieten sich durchaus spannende neue Wege für ein besseres Recruiting.
Grenzen und Herausforderungen von KI im Recruiting
Neben den transformativen Potentialen konfrontiert die Integration von KI im Recruiting die HR-Fachleute jedoch auch mit komplexen Herausforderungen, die sowohl die Kandidatenauswahl als auch das Personalmarketing betreffen.
1. Verständnis menschlicher Nuancen und Authentizität
KI-Systeme können menschliche Emotionen und subtile Signale nicht vollständig erfassen und entschlüsseln, was sowohl in der Kandidatenauswahl als auch bei der Content-Erstellung für Personalmarketing eine Rolle spielt. Die Balance zwischen Automatisierung und menschlicher Intuition ist entscheidend.
2. Datenschutz, ethische Bedenken und Bias
Datenschutz und ethische Überlegungen sind zentral, besonders bei der Analyse von Kandidatendaten und der Erstellung von Inhalten. Zudem muss aktiv eine Bias-Prävention betrieben werden, um Fairness und Objektivität zu gewährleisten.
3. Content-Überflutung und Differenzierung
Im Personalmarketing führt die durch KI erhöhte Content-Menge zu verstärktem Wettbewerb. Unternehmen müssen sich durch qualitativ hochwertigen, authentischen und differenzierten Content abheben, um die Aufmerksamkeit der Kandidaten zu gewinnen.
4. Personalisierung vs. Standardisierung
Die Herausforderung liegt darin, personalisierte Erfahrungen zu schaffen, ohne in stereotype oder generische Inhalte abzudriften. Dies gilt für die direkte Kommunikation mit Kandidaten sowie für Marketinginhalte.
5. Menschliche Überprüfung und Anpassungsfähigkeit
Die Notwendigkeit menschlicher Überwachung bleibt bestehen, um die von KI vorgeschlagenen Entscheidungen im Recruiting-Prozess zu validieren. Ebenso erfordert das dynamische Umfeld des Personalmarketings kontinuierliche Anpassung und Feinabstimmung der KI-gestützten Strategien.
Fazit: KI als Chance und Herausforderung im Recruiting
Die Integration von Künstlicher Intelligenz (KI) im Recruiting ist kein ferner Zukunftstraum mehr – sie ist eine aktuelle Realität, die das Feld transformiert und neu definiert. Wie wir gesehen haben, ermöglicht der Einsatz von KI im Recruitingprozess eine Vielzahl von Verbesserungen, von der Optimierung der Kandidatensuche über personalisierte Kommunikationsstrategien bis hin zur effizienten und fairen Bewertung von Bewerbern. Gleichzeitig hebt die KI das Personalmarketing auf ein neues Niveau, indem sie es Unternehmen ermöglicht, zielgerichteten und ansprechenden Content zu erstellen, der sich in einem zunehmend gesättigten Markt abheben muss.
Die Notwendigkeit, menschliche Nuancen zu verstehen, Datenschutz zu gewährleisten, ethische Überlegungen zu berücksichtigen und Bias zu vermeiden, sind nur einige der Punkte, die Unternehmen auf der anderen Seite bei der Umsetzung von KI-Konzepten berücksichtigen müssen. Die Zukunft des Recruitings wird zweifellos von KI geprägt sein, doch der menschliche Faktor bleibt unersetzlich. Die Kunst wird darin liegen, KI als Werkzeug zu verstehen, um den Recruiting-Prozess zu unterstützen und zu verbessern - ohne den „Human Touch“ und das professionelle Urteilsvermögen zu verdrängen.
Im Kontext des Recruiting FORUMs am 18.04. freuen wir uns hierzu auf ein paar spannende Vorträge – u.a. von Daniel Schaffeld (hijob), der das Thema nochmals aus Expertensicht betrachtet und diskutiert.
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