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Human First statt Tool First – Warum HR jetzt die Gestaltungsrolle übernehmen muss

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Nicht nur in den Diskussionen und Publikationen der Shift/HR fordern wir seit Jahren: HR darf sich nicht länger auf die Administration von Mitarbeiteransprüchen, Arbeitsverträgen und Weiterbildungsprogrammen beschränken. Die Rolle als strategischer Partner, als Impulsgeber für Kulturwandel und Arbeitsinnovation ist in jeder Debatte gesetzt – doch im Alltag dominiert weiterhin das Operative. Tools werden eingeführt, Prozesse an Technologien angepasst, Aufgaben effizient abgearbeitet. Auf das analoge Prozesskorsett folgt nun das digitalisierte.

Mit der KI-Transformation eskaliert diese alte Diskussion. Sie beschleunigt nicht nur die Veränderung – sie verschiebt die Spielregeln. Automatisierte Entscheidungen, generative Systeme und algorithmische Bewertungen greifen tief in HR-Kernbereiche ein. Wer sich jetzt nicht klar positioniert, wird überrollt: von Toollogiken, Anbieterparadigmen und einem Effizienzdenken, das wenig Raum für Haltung lässt. Und damit droht HR, ihren eigentlichen Anspruch zu verlieren – die Arbeit der Zukunft aktiv und menschenzentriert mitzugestalten.

Was auf dem Spiel steht – KI verändert nicht nur Prozesse, sondern Prinzipien

KI verändert mehr als Abläufe. Sie verschiebt die Logik, nach der Entscheidungen getroffen, Leistungen bewertet und Entwicklungen angestoßen werden. Besonders in Bereichen wie Recruiting, Performance Management und Learning & Development greift sie tief in die Beziehung zwischen Organisation und Mitarbeitenden ein. Wenn HR hier nur auf Effizienz, Datenverfügbarkeit oder Tool-Performance schaut, verliert sie schleichend an Steuerungskompetenz.

In den aktuellen Debatten rund um „Responsible AI“ wird deutlich, worum es geht: KI-Systeme müssen verantwortungsvoll gestaltet und eingesetzt werden – mit Blick auf soziale, ethische und organisationale Wirkungen (Quelle). Diese Verantwortung gilt auch für den HR-Kontext. Wer sich auf die Einführung technischer Routinen beschränkt, ohne ethische Leitplanken, ohne Governance, riskiert, von den impliziten Logiken der Tools überrollt zu werden.

Denn KI bringt eigene Paradigmen mit – etwa eine datenbasierte Objektivität, die vermeintlich neutral wirkt, in Wahrheit aber auf Trainingsdaten, impliziten Wertungen und oft intransparenten Logiken basiert. Wird HR hier nicht selbst aktiv, übernehmen andere die Definitionsmacht: Anbieter, Tools und Algorithmen.

Das Resultat? Eine HR-Funktion, reduziert auf Effizienz. Verwaltend, messend, optimierend – statt gestaltend, fördernd und sinnstiftend. Und das wäre der eigentliche Rückschritt im digitalen Fortschritt.

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Human First – Haltung, Prinzipien und Verantwortung als Leitlinie

Gerade weil KI-Prozesse so tief in Strukturen, Rollen und Entscheidungslogiken eingreifen, braucht es einen klaren Orientierungsrahmen. Wenn HR nicht selbst zur Prinzipiengeberin wird, definieren andere, nach welchen Maßstäben gearbeitet, bewertet und entschieden wird. Genau deshalb muss – in HR, aber weit darüber hinaus – ein „Human First“-Prinzip gelten: Es fordert, technologische Innovation in den Dienst menschenzentrierter Arbeit zu stellen – nicht umgekehrt.

Das World Economic Forum hat bereits 2019, also lange vor dem Aufkommen generativer KI-Systeme wie ChatGPT, im Whitepaper „HR 4.0: Shaping People Strategies in the Fourth Industrial Revolution“ vier Prinzipien formuliert, die dafür den Rahmen setzen:

  • Respect and Responsibility – Technologie soll Menschen befähigen, nicht ersetzen.
  • Transparency and Explainability – KI muss nachvollziehbar und erklärbar bleiben.
  • Fairness and Non-Discrimination – Verzerrungen und Diskriminierung müssen aktiv vermieden werden.
  • Accountability and Oversight – Entscheidungen brauchen nachvollziehbare Verantwortung und Kontrolle.

Diese Prinzipien sind keine ethische Zierde – sie sind strategisch notwendig. HR muss sie in konkrete Anforderungen, Auswahlkriterien und Steuerungsmechanismen übersetzen und gegenüber IT, Anbietern und Führungsetagen vertreten. Nur so entsteht ein Rahmen, in dem KI verantwortungsvoll wirken kann.

Mit den aktuellen Entwicklungen rund um generative und agentenbasierte Systeme wächst der Druck. Die Dynamik betrifft längst nicht nur die HR-Funktion, sondern die gesamte Organisation – überall dort, wo KI Einzug in Entscheidungs- und Interaktionsprozesse hält. Umso mehr ist HR jetzt gefordert, seine Rolle einzunehmen: als Bindeglied zwischen technologischer Innovation und menschlicher Arbeitsrealität. Weg von der Tool-Einführung, hin zur kuratierenden Instanz, die Technologie aktiv im Sinne von Zusammenarbeit, Entwicklung und Teilhabe gestaltet.

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Fazit: Wer nicht gestaltet, wird gestaltet

Die KI-Transformation duldet kein Abwarten mehr. Sie verändert Prozesse, Rollen und Entscheidungslogiken in rasantem Tempo – und stellt damit auch die Rolle von HR fundamental infrage. Wer jetzt nicht gestaltet, wird gestaltet. Wer keine Haltung einnimmt, bekommt Toollogiken und Automatisierungsvorgaben vorgegeben. Wer sich nicht positioniert, verliert den Anspruch auf Steuerung.

In dieser Situation wächst der Druck nicht nur durch technologische Innovation, sondern auch durch ein wachsendes Narrativ des Effizienzradikalismus: HR soll schneller, schlanker, messbarer funktionieren – gerne auch algorithmisch gesteuert. Doch wer HR allein über Effizienz definiert, verkennt ihren eigentlichen Wert für Organisationen. Darauf haben wir bereits in unserem Beitrag „HR zwischen Effizienzradikalismus und nachhaltiger Wertschöpfung – Die neue Weichenstellung für die Zukunft“ hingewiesen: Zukunftsfähige HR-Arbeit entsteht dort, wo Technologie in den Dienst menschenzentrierter Entwicklung gestellt wird – nicht umgekehrt.

„Human First“ ist deshalb kein weichgespülter Gegenentwurf zur Technik. Es ist die notwendige Rahmensetzung, um KI sinnvoll und verantwortungsvoll im Unternehmen zu verankern. Nicht als Tool-Frage, sondern als Haltungsfrage.

Wenn HR jetzt nicht aktiv wird, verliert sie den Anschluss. Wer aber Haltung zeigt, Prinzipien setzt und Technologie als Gestaltungsfeld begreift, übernimmt Verantwortung – für Fortschritt, für Kultur und für die Zukunftsfähigkeit der Organisation.

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