
Künstliche Intelligenz (KI) wird oft als Lösung für effizientere Prozesse gesehen – auch in der Personaleinsatzplanung. Viele Unternehmen erwarten, dass KI dazu beiträgt, Personalkosten zu senken, Prozesse zu automatisieren und Workforce-Management radikal zu optimieren. Doch diese Vorstellung greift zu kurz. Das Webinar „Zur richtigen Zeit am richtigen Ort – KI in der Personaleinsatzplanung“ mit Dr. Boris Baginski und Dr. Josef Jäger-Gammel zeigte eine andere Realität: KI ersetzt keine menschliche Planung, sondern unterstützt sie – und das mit klaren Grenzen.
Diese Erkenntnisse stehen im direkten Zusammenhang mit den Diskussionen auf der letzten Shift/HR Workforce Management Konferenz. (Siehe auch den Rückblicksbeitrag!) Dort wurde deutlich, dass Unternehmen mehr brauchen als reine Effizienzsteigerung – sie benötigen flexible, resiliente Workforce-Strategien, die den Herausforderungen des demografischen Wandels, des Fachkräftemangels und neuer Arbeitsmodelle gerecht werden.
Auch die aktuelle HR-Debatte ist geprägt von der Frage, wie sich Unternehmen zwischen radikaler Effizienzsteigerung und nachhaltiger Wertschöpfung positionieren. In unserem Beitrag „HR zwischen Effizienzradikalismus und nachhaltiger Wertschöpfung“ diskutieren wir, dass KI nicht zum Selbstzweck wird – sondern als strategisches Steuerungsinstrument betrachtet werden muss.
Dieser Beitrag versucht die Erkenntnisse aus dem Webinar in diesen größeren Kontext einzuordnen: Wo hilft KI im Workforce Management wirklich? Welche Herausforderungen müssen Unternehmen beachten? Und warum reicht ein reiner Effizienzfokus nicht aus?
KI in der Personaleinsatzplanung: Was wirklich funktioniert
Künstliche Intelligenz kann die Personaleinsatzplanung gezielt unterstützen – aber nicht in der Weise, wie es sich viele Führungskräfte erhoffen. Automatisierte Personalplanung, die menschliche Entscheidungen vollständig ersetzt, bleibt eine Illusion. Vielmehr zeigt sich der Nutzen von KI in der präziseren Vorhersage und besseren Steuerung von Personalbedarfen.
Ein Beispiel, das im Webinar vorgestellt wurde, ist ein Forschungsprojekt mit der Uniklinik Mainz, in dem getestet wurde, wie KI die Entwicklung der Patientenzahlen sowie den daraus resultierenden Pflegeaufwand prognostiziert. Die Ergebnisse zeigen, dass KI wertvolle Unterstützung bietet, indem sie historische Daten auswertet und wiederkehrende Muster erkennt. Doch wie Boris Baginski im Webinar betonte:
Die Planungssicherheit steigt, aber menschliche Einschätzung bleibt essenziell – KI liefert eine Prognose, aber nicht die Entscheidung. - Dr. Boris Baginski, ATOSS Software
Ähnliche Anwendungsfälle finden sich auch in anderen Branchen, insbesondere in Bereichen mit dynamischen Schwankungen oder schwer prognostizierbaren Personalbedarfen. KI kann dort vor allem in drei Kernbereichen einen Mehrwert schaffen:
- Präzisere Bedarfsprognosen
- KI analysiert historische Daten und identifiziert Muster, um künftige Personalbedarfe vorherzusagen.
- Unternehmen können so Engpässe frühzeitig erkennen und vermeiden.
- Beispiel aus dem Gesundheitswesen: Prognosen zu Patientenzahlen und Pflegeaufwand als Grundlage für die Schichtplanung.
- Flexiblere Anpassung an saisonale und betriebliche Schwankungen
- KI hilft, Lastspitzen vorherzusehen und Personal effizienter zu verteilen.
- Besonders relevant für Branchen mit starken Nachfrageschwankungen, z. B. Handel, Logistik oder Hotellerie.
- Planer:innen erhalten datenbasierte Empfehlungen, um Über- oder Unterbesetzungen zu vermeiden.
- Datenbasierte Personalplanung statt starrer Regeln
- Statt auf statische Schichtmodelle zu setzen, ermöglicht KI eine dynamischere Planung, die sich an Echtzeit-Daten orientiert.
- Das führt zu mehr Fairness und Planbarkeit für Mitarbeitende.
Josef Jäger-Gammel unterstrich diesen Punkt im Webinar:
Wenn Unternehmen ihre Workforce-Planung auf datengetriebene Prognosen stützen, können sie nicht nur wirtschaftlicher arbeiten, sondern auch bessere Bedingungen für ihre Mitarbeitenden schaffen – weniger Überlastung, bessere Planbarkeit und mehr Fairness in der Schichtverteilung. - Dr. Josef Jäger-Gammel, ATOSS Software
Allerdings bleibt die Nutzung von KI in der Personaleinsatzplanung eine Frage der richtigen Integration und Steuerung. Wer erwartet, dass eine Software eigenständig den idealen Dienstplan errechnet, wird enttäuscht. KI ist keine vollautomatische Lösung, sondern ein Werkzeug, das Planer:innen unterstützt – vorausgesetzt, die Organisation verfügt über die notwendigen Prozesse und Kompetenzen, um diese Prognosen sinnvoll zu nutzen.
Herausforderungen in der Praxis: Wo Unternehmen aufpassen müssen
Der Einsatz von KI in der Personaleinsatzplanung ist kein Selbstläufer. Im Webinar haben wir verschiedene Herausforderungen auch zusammen mit den Teilnehmenden diskutiert: Fehlende Datenqualität, unklare Governance-Strukturen und ein zu operativer Umgang mit der Technologie führen dazu, dass sich das Potenzial von KI nicht entfalten kann.
Datenqualität als Grundvoraussetzung für verlässliche Prognosen
KI ist nur so gut wie die Daten, mit denen sie arbeitet. Historische Personalbedarfe, saisonale Schwankungen oder betriebliche Einflussfaktoren müssen korrekt und konsistent erfasst sein, damit Algorithmen daraus belastbare Muster ableiten können. Fehlen diese Informationen oder sind sie lückenhaft, bleibt auch die KI-gestützte Planung fehleranfällig.
„Garbage in, garbage out – ohne valide Datenbasis wird jede KI-Prognose zur reinen Spekulation.“ – Dr. Boris Baginski, ATOSS Software
Ein Beispiel aus dem Gesundheitswesen zeigt, wie kritisch dies ist: In einem Klinikprojekt zur Bedarfsprognose für Pflegepersonal wurden Patientenzahlen und Schweregrade erfasst, um den zukünftigen Personalbedarf vorherzusagen. Doch ohne eine saubere Dokumentation früherer Bedarfe und Schichtmodelle bleibt eine präzise KI-gestützte Planung unmöglich.
Das Problem beschränkt sich nicht auf den Gesundheitssektor. Auch in anderen Branchen wie dem Handel oder der Logistik kann KI nur dann fundierte Vorhersagen liefern, wenn Vergangenheitsdaten vollständig, strukturiert und richtig verknüpft sind.
Regulatorische und ethische Fragen – KI braucht klare Spielregeln
Der Einsatz von KI in der Personalplanung wirft unausweichlich Fragen zur Datennutzung, Transparenz und Compliance auf. Welche Daten dürfen für Prognosen genutzt werden? Inwiefern darf KI Entscheidungen zur Dienstplanung beeinflussen? Und wie wird sichergestellt, dass Planungssoftware nicht zur individuellen Leistungsüberwachung missbraucht wird?
Diese Fragen lassen sich nicht allein durch technologische Lösungen klären, sondern erfordern klare Governance-Strukturen und transparente Entscheidungsprozesse. Josef Jäger-Gammel betonte im Webinar, dass KI keine isolierte Technologie ist, sondern in bestehende Prozesse und rechtliche Rahmenbedingungen eingebettet werden muss:
„Die Einführung von KI erfordert nicht nur technologische, sondern auch organisatorische Veränderungen – von der Datenstrategie bis hin zur ethischen Verantwortung im Umgang mit KI-gestützten Empfehlungen.“ - Dr. Josef Jäger-Gammel, ATOSS Software
Eine unklare Regulierung oder fehlende Transparenz kann dazu führen, dass Mitarbeitende KI-gestützte Planungen misstrauen oder Betriebsräte berechtigte Bedenken äußern. Deshalb müssen Unternehmen frühzeitig definieren, welche Rolle KI in der Planung übernimmt und wie Entscheidungen nachvollziehbar bleiben.
Veränderte Rollen – Planer:innen als Steuernde statt Umsetzende
Die Einführung von KI verändert die Anforderungen an Planer:innen grundlegend. Statt manuell Schichten zu planen oder Bedarfe anhand starrer Regeln zu berechnen, rückt die analytische Steuerung der Workforce in den Vordergrund.
„Planer:innen sind keine reinen Umsetzer mehr. Sie müssen mit KI arbeiten können, um die Workforce optimal zu steuern.“ – Dr. Josef Jäger-Gammel, ATOSS Software
Damit wächst die Bedeutung von Datenkompetenz und analytischem Verständnis in HR und Workforce-Management-Teams. Die Fähigkeit, KI-Prognosen zu interpretieren, die Ergebnisse zu hinterfragen und auf unvorhersehbare Entwicklungen zu reagieren, wird zur Kernkompetenz in der Personaleinsatzplanung.
Diese Entwicklung ist auch auf der Workforce Management Konferenz deutlich geworden: KI nimmt Routineaufgaben ab, macht die Planung aber nicht einfacher – sondern anspruchsvoller. Unternehmen müssen sicherstellen, dass ihre Teams die nötigen Fähigkeiten entwickeln, um KI als Entscheidungsunterstützung zu nutzen, anstatt sich blind auf automatisierte Ergebnisse zu verlassen.
Fazit: KI als Steuerungsinstrument für zukunftsfähiges Workforce Management
KI verändert die Personaleinsatzplanung – aber nicht so, wie es sich viele erhoffen. Die Vorstellung, dass KI automatisch für maximale Effizienz sorgt, ist ein Trugschluss. Statt Prozesse vollständig zu automatisieren, hilft sie dabei, Planungsentscheidungen auf eine präzisere Datenbasis zu stellen. Wer KI ausschließlich als Mittel zur Kostenreduktion betrachtet, verkennt die eigentlichen Potenziale und riskiert, an den Herausforderungen des Workforce Managements vorbeizuplanen.
Die zentralen Erkenntnisse aus dem Webinar lassen sich in drei Kernaussagen zusammenfassen:
- KI ermöglicht präzisere Bedarfsprognosen, ersetzt aber keine menschliche Entscheidungsfähigkeit. Sie liefert Daten, die Planer:innen bei der Steuerung unterstützen, ist jedoch kein vollautomatisiertes Planungstool.
- Der Einsatz von KI erfordert saubere Daten, klare Governance und eine strategische Einbettung. Ohne eine solide Datenbasis, transparente Regeln und das notwendige Know-how im Unternehmen bleibt das Potenzial ungenutzt.
- Die Rolle der Planer:innen verändert sich – von operativen Umsetzenden zu strategischen Steuernden. Workforce-Management-Teams müssen verstärkt mit Prognosen arbeiten, Entscheidungen hinterfragen und sich auf datenbasierte Prozesse einlassen.
Damit KI im Workforce Management ihren vollen Nutzen entfalten kann, braucht es eine bewusste Herangehensweise. Unternehmen müssen sich fragen: Wollen wir eine reine Effizienzsteigerung oder eine nachhaltige, strategische Verbesserung unserer Personaleinsatzplanung?
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Der vollständige Mitschnitt des Webinars mit Boris Baginski und Josef Jäger-Gammel sowie die Präsentationsunterlagen sind in der Shift/HR Mediathek verfügbar. Mit dem Shift/HR Freemium-Zugang kannst du dir kostenlos Zugriff auf das Material freischalten und tiefer in die Thematik einsteigen.
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